Wie (nicht nur) Lungen-Patienten in Corona-Zeiten die Nase vorne behalten: W.U.P.P.-C.O.V.I.D. (Teil 1)
- On 29. April 2020
Der Beitrag „ Drei Gründe, warum Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen beim Umgang mit dem „Corona-Virus“ möglicherweise die Nase vorn haben“ hat eingeschlagen wie eine Bombe: Fünfmal mehr Besucher als sonst tummeln sich auf meiner Website. Inzwischen bekommt meine These von den „Vorteilen“ der Lungen-Patienten in Zeiten der Corona-Pandemie unerwartete Unterstützung vom anderen Ende der Welt.
W.U.P.P.-C.O.V.I.D. – Was Du zum besseren Verständnis wissen solltest…
Regelmäßige Leser meines Blogs wissen es: Für den Umgang mit Atemnot und Angst greife ich häufig auf Methoden aus der Acceptance-Commitment-Therapie (= ACT) zurück.
In Studien aus dem Bereich der klinischen Psychopneumologie geben Verfahren aus der achtsamkeits-basierten Verhaltenstherapie (ACT, MBSR, Mind-Body-Medicine) regelmäßig Anlass zu Hoffnungen. Das ist ein wichtiger Grund, warum es sinnvoll ist, Behandlungs-Ansätze aus diesen Therapie-Schulen für Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen aufmerksam zu verfolgen und vorzustellen.
Wer also regelmäßig auf dieser Website vorbeischaut, der kann mit Begriffen wie Achtsamkeit, Bereitschaft, Akzeptanz und Commitment (= Selbstverpflichtung) bereits etwas anfangen.
Allen „Neulingen“ empfehle ich, ein paar Beiträge unter dem Schlagwort „Achtsamkeit“ zu lesen, z. B.:
Eine neue Dreifach-Kombination bei Atemnot?
Angst bei Atemnot: Das „Monster“ zähmen
Ängste bei Atemnot: Aufmerksamkeit fokussieren oder lenken
Auf die Plätze – fertig – los!
Jetzt sind alle auf dem gleichen Stand und es kann endlich losgehen mit dem Stärkungs-Programm in Corona-Zeiten.
Hier eine Übersicht über die Einsatzgebiete der praktischen Empfehlungen:
- bei akuter Angst
- bei sich steigernder Ängstlichkeit
- zur grundsätzlichen Stärkung gegen Ängste
1. Bei akuter Angst und Atemnot: „Ein offenes Fenster atmen“
Nein – ich habe mich nicht verschrieben. Die Übung bei akuter Angst und Atemnot heißt wirklich „Ein offenes Fenster atmen“.
Manche kennen diese Atem-Übung vielleicht unter dem Namen „Ein Rechteck atmen“.
Ich habe diese Technik auf die Atem-Physiologie abgestimmt und aus dem Rechteck ein Trapez gemacht.

Ein solches Trapez erinnert mich an ein offenes Fenster – und schon weht eine frische Brise herein!
Geatmet wird nach dem folgenden Schema:
- Starte mit dem linken (kürzeren) Rahmen: Einatmen
- Weiter mit dem oberen Rahmen: Atempause
- Runter mit dem rechten (längeren) Rahmen: Ausatmen
- Weiter mit dem unteren Rahmen: Atempause
Dieses Schema wird solange beibehalten, bis sich Atmung und Angst beruhigen.
2. Bei sich steigernder Ängstlichkeit: Den inneren Dialog wahrnehmen
Hast Du bemerkt, wie wir in der Regel über die Herausforderungen durch das „Corona-Virus“ reden?
Krise, Katastrophe, Zusammenbruch (der Gesundheitsversorgung), Wirtschaftskollaps (durch Lockdown) … Ein Dauerfeuer von Horror-Begriffen prasselt auf uns ein.
Denk mal an die Unterhaltungen, die Du momentan mit anderen führst: Alles dreht sich – mehr oder weniger ängstlich und pessimistisch gefärbt – um das Virus und die Folgen.
In dieser Situation liegt es nahe, dass auch unser ständiger innerer Dialog von Angst und Panik geprägt ist:
- „Wie soll ich das schaffen?“
- „Ich halte es nicht mehr aus!“
- „Das wird böse enden…“
Durch äußere und innere Dialoge in diesem Stil steigert sich die Ängstlichkeit von Satz zu Satz.
Was kannst Du dagegen tun?
Nimm in Gesprächen mit anderen und bei Deinen inneren Dialogen wahr:
- Wie erzähle ich? (mit gepresster Stimme? mit angespanntem Nacken? hektisch außer Atem?…)
- Welche Worte verwende ich? (Katastrophen-Begriffe? Horror-Worte?, Schwarzmalereien?…)
Aufmerksame Wahrnehmung Deiner inneren Dialoge ist die Voraussetzung, um etwas zu ändern:
- in der Wortwahl
- in der Stimme
- in der Körperhaltung
Damit legst Du ein gutes Fundament für das folgende Stärkungs-Programm gegen (Corona)-Ängste.
3. Für die grundsätzliche Stärkung gegen Corona-Ängste: W.U.P.P.-C.O.V.I.D.
W.U.P.P.-C.O.V.I.D. ist ein Akronym (= aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Worte gebildeter Begriff).
Mit diesem einprägsamen Akronym lässt sich ein praktisches Stärkungs-Programm gegen Corona-Ängste besser merken.
An dieser Stelle komme ich zur Einleitung meines Beitrages zurück. Hier kommt nämlich die Hilfestellung vom anderen Ende der Welt (genauer: aus Australien) ins Spiel…
FACE COVID von Dr. Russ Harris
Wer ACT kennt, hat vermutlich schon von Dr. Russ Harris gehört. Seit vielen Jahren praktiziert und lehrt Dr. Harris ACT. Er bemüht sich um eine möglichst verständliche Darstellung und erreicht damit viele Menschen. Einige Jahre hat er als niedergelassener Arzt ACT bei Patienten mit chronischen Erkrankungen angewendet. Inzwischen liegt sein Schwerpunkt auf der Verbreitung dieser Methode, z. B. durch mehrere Internet-Angebote. Seine Übungen aus dem Repertoire der ACT formuliert der anschaulich und leicht nachvollziehbar.
Angesichts der Corona-Pandemie hat Dr. Harris ein E-Book mit dem treffenden Titel „FACE COVID“ (auf Deutsch etwa: COVID Trotz bieten) zur freien Verfügung gestellt.
Den Titel benutzt er als Akronym und entfaltet anhand der Anfangsbuchstaben sein Stärkungs-Programm.
Davon habe ich mich inspirieren lassen und das folgende Stärkungs-Programm „W.U.P.P.-C.O.V.I.D.“ betitelt.
W.U.P.P.-C.O.V.I.D. – Los geht´s mit einer Übersicht
Teil 1:
W – Was? Wo? Wie?
U – Unangenehme Gefühle
P – Präsenz
P – Persönliches Engagement
Teil 2:
C – Commitment (= Selbstverpflichtung)
O – Offenheit
V – Valuta (= Werte)
I – Identifikation der Kraftquellen
D – Desinfektion und Distanz (und seit neuestem: Nase-Mund-Schutz-Maske)
W.U.P.P.-C.O.V.I.D. – Was verbirgt sich genau hinter den Buchstaben?
W – Was passiert gerade? Wo liegt mein Freiraum? Wie will ich aktiv werden?
Die 3 W-Fragen sind ein wichtiger Schritt, um in angstbesetzten Situationen ein Gefühl der angemessenen Kontrolle zu erlangen.
Mit Hilfe der 3 W-Fragen kannst Du unterscheiden:
- was nicht in Deiner Kontrolle ist
- was in Deiner Kontrolle ist
Nicht in Deiner Kontrolle liegt zum Beispiel:
- Ob das Virus Dich oder Deine Lieben schädigen wird…
- Welche wirtschaftlichen Folgen der Lockdown haben wird…
- Wie lange die Pandemie dauern wird…
In Deiner Kontrolle liegt jedoch:
- Was Du – hier und jetzt – Sinnvolles tun kannst…
- Wie Du dich gegenüber Deinen Mitmenschen verhalten willst…
U – Unangenehme Gefühle wahrnehmen
Bedenken und Sorgen sind vollkommen verständliche Reaktionen auf die Situation der Ungewissheit und Unsicherheit, die wir alle momentan durchleben.
Entscheidend ist, wie Du mit Deinen Gefühlen umgehst.
Versuche die Position eines neutralen Beobachters einzunehmen, z. B. die eines neugierigen Wissenschaftlers, der genau wahrnimmt und aufzeichnet, was in seiner inneren Welt vor sich geht:
Fasse Deine Beobachtung in nüchterne Worte:
- „Ich beobachte Ängstlichkeit.“
- „In einer Ecke meines Geistes kauern Sorgen und Krankheits-Furcht.“
- usw…
Während dieser Beobachtung solltest Du die nächste Technik anwenden…
P – Präsenz üben (= in den Körper kommen)
Präsent werden gelingt am besten durch „Erdung“ des Körpers:
- Lasse Deine Füße den Boden spüren.
- Richte Dein Rückgrat langsam auf.
- Presse Deine Fingerkuppen elastisch-dynamisch gegeneinander.
- usw…
Es ist ein großer Vorteil, dass Du über den Körper ins Hier und Jetzt gelangen kannst – und dabei Deine Gefühle weiter neugierig beobachten kannst.
P – Persönlich engagieren
Das zweite P meint mit persönlichem Engagement (noch) nicht die Weltrettung vor dem Corona-Virus 😉
Es möchte Dir vielmehr einen Schritt weiter aus der angstvollen Anspannung heraushelfen.
Persönliches Engagement bedeutet in diesem Fall: einen Anker in das Hier und Jetzt werfen, z. B. mit der „5-4-3–Dinge-Methode“: Richte Deine Wahrnehmung auf
- 5 Dinge, die Du in Deiner Umgebung sehen kannst…
- 4 Dinge, die Du hören kannst…
- 3 Dinge, die Du riechen oder abtasten kannst…
(Wer die Broschüre „Ängste bei Atemnot – Wege aus dem Teufelskreis“ aus dem Free Download-Bereich meiner Website gelesen hat, kennt diese Übung in einer ähnlichen Form bereits!)
Nach der „5-4-3-Dinge-Methode“ richte Deine volle Aufmerksamkeit auf das, was Du gerade tust.
Damit bist Du wieder beim Buchstaben „U“ angelangt: Unangenehme Gefühle wahrnehmen. Idealerweise durchläufst Du den „U.P.P.“-Zyklus einige Male hintereinander als zusammenhängende 2-3-Minuten-Übung.
Achtung: Überspringe auf keinen Fall das „U“ in der Übung. Ohne Wahrnehmung der unangenehmen Gefühle wird die Übung zu einer nicht gewollten Vermeidungs-Technik.
Durch die mehrmaligen Zyklen landest Du immer nachhaltiger bei dem, was Du gerade tust. Dr. Harris fügt an dieser Stelle ein: „Und falls Du gerade keine sinnvolle Tätigkeit hast, schau Dir die nächsten 3 Schritte an…“
Dieser Aufforderung schließe ich mich an. Weiter geht es morgen mit dem 2. Teil des W.U.P.P.-C.O.V.I.D.-Stärkung-Programms.
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