Perspektiven für die Psychopneumologie: Sieben zukunftsträchtige Themen von „Beatmung“ bis „Kümmerer“ (Teil 2)
- On 3. April 2021
Nach dem Zwischenruf zum Thema „Lunge, Psyche, Resilienz“ geht es heute weiter mit der subjektiven Auswahl aus den interessanten Veröffentlichungen des vergangenen Jahres. Teil 2 der psychopneumologischen Perspektiven stellt eine Studie vor, die berechtigte Hoffnungen weckt für psychisch belastete COPD-Patienten.
Perspektive 2: eine maßgeschneiderte Intervention im Rahmen der Pneumologischen Rehabilitation für COPD-Patienten mit Ängsten und/oder Depressionen
Die geplante TANDEM-Studie (von Sohanpal R et al.) baut auf zwei gut belegten Erkenntnissen auf:
- Patienten mit COPD haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Depressionen und Angststörungen.
- Die Pneumologische Rehabilitation (PR) zeigt günstige Auswirkungen sowohl auf das körperliche Befinden (Atemnot, Leistungsfähigkeit), als auch auf das psychische Befinden (Angst- und Depressions-Symptome, gesundheitsbezogene Lebensqualität).
Die Studie möchte prüfen, ob eine maßgeschneiderte psychologische (kognitiv-behaviorale) Intervention im Rahmen der PR einen zusätzlichen Nutzen erbringt. Konkret: Ob der zusätzlich vermittelte psychologisch kognitive Verhaltensansatz (CBA) leichte und mittlere Ängste bzw. Depressionen bei Patienten mit moderater, schwerer oder fortgeschrittener COPD reduzieren kann.
Im Analyseplan beschreiben die Autoren TANDEM als multizentrische, zweiarmige (parallele Gruppen, pragmatisch, individuell randomisiert), kontrollierte Überlegenheitsstudie, einschließlich eines internen Pilotprojekts. Die Teilnehmer werden randomisiert und erhalten:
- entweder die Intervention (eine maßgeschneiderte psychologische Intervention plus übliche Versorgung einschließlich Überweisung zur PR)
- oder die Kontrolle (übliche Versorgung einschließlich Überweisung an die PR).
Das vorrangige Ziel der Studie ist die Untersuchung der klinischen Wirksamkeit des psychologisch kognitiven Verhaltensansatzes (CBA) mit Blick auf festgelegte klinische Parameter (Depression und Angst der Teilnehmer nach 6 Monaten, gemessen mit der Hospital Anxiety and Depression Scale HADS) im Vergleich zur üblichen Behandlung.
Nachgeordnete Ziele der Studie sind u. a.:
- die Wirkung der CBA-Intervention auf Behandler (falls zutreffend)
- die Kosteneffektivität der CBA-Intervention aus Sicht der Leistungsträger
- die Durchführung einer Prozessevaluation zur Information über die Implementierung der CBA-Intervention (falls die Studie positiv ausfällt) bzw. zur Auswertung der Ergebnisse (falls die Studie negativ ausfällt).
Welche Ergebnisse erbrachten die TANDEM-Pilot-Studien?
Eine Vorstudie mit Fachkräften des Gesundheitswesens ergab folgende Vorteile der CBA-Intervention:
- Die CBA-Intervention ermöglicht es, die Barrieren des Selbstmanagements der Patienten zu erforschen.
- Die Fachkräfte sind froh, daß sie durch die CBA-Intervention dem „traditionellen“ medizinischen Reha-Management einen psychologischen Ansatz hinzufügen konnten.
- Das CBA-Training und die diesbezügliche Supervision werden geschätzt.
Trotz allgemein positiver Bewertung verweisen die einbezogenen Fachkräfte des Gesundheitswesens auf einige Probleme:
- auf Patienten-Seite durch multimorbide Erkrankungen, komplexe Bedürfnisse, feststehende Überzeugungen und Anpassungsprobleme an einen neuen Behandlungsansatz.
- auf Behandler-Seite durch zeitliche Einschränkungen, fehlende Akzeptanz durch Patienten, mangelndes Selbstvertrauen und Schwierigkeiten bei der Anpassung an die neue psychologische Rolle.
Wie läuft die TANDEM-Intervention ab?
Die Intervention wird von sogenannten TANDEM-Moderatoren auf einer Eins-zu-Eins-Basis durchgeführt. Diese Moderatoren sind speziell geschulte medizinische Fachkräfte mit Erfahrung in der Arbeit mit COPD-Patienten (Physiotherapeuten, Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Psychologen).
Die TANDEM-Intervention beruht auf Prinzipien der Selbstregulationstheorie und der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT), die zur Behandlung von Angst und Depression bei körperlichen Erkrankungen (einschließlich COPD) geeignet ist.
Die Einzel-Sitzungen werden durch schriftliche und DVD-basierte Materialien ((TANDEM-spezifische Handouts, Broschüren und eine DVD) und erprobte Selbstmanagement-Broschüren (SPACE-Programm der British Lung Foudation) verstärkt.
Während der gesamten Intervention liegt der Schwerpunkt auf den Zusammenhängen zwischen Symptomen (insbesondere Atemnot), Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. Die TANDEM-Intervention zielt auf mehrere Bereiche:
- Techniken zur Bewältigung von Atemnot und zur Steigerung der körperlichen Aktivität vermitteln
- die soziale Isolation reduzieren
- auf die Pneumologische Rehabilitation (PR) vorbereiten
Nach den Einzelsitzungen und falls sie die geltenden PR-Kriterien erfüllen, können die Teilnehmer die Routine-PR vor Ort beginnen.
Die Intervention wird persönlich in der Wohnung des Teilnehmers oder in einer nahe gelegenen Gesundheitseinrichtung seiner Wahl durchgeführt, wöchentlich für 6 bis 8 Wochen, abhängig vom Schweregrad der anfänglichen Symptome (Angst und/oder Depression) und des individuellen Fortschritts. Die Sitzungen dauern 40 bis 60 Minuten.
Beim Abschluß wird mit Erlaubnis des Teilnehmers eine schriftliche Fallzusammenfassung an den behandelnden Arzt gesendet, um den Fortschritt und den Bedarf an weiterer Unterstützung zu dokumentieren.
Zwischen dem Abschluss der TANDEM Face-to-Face-Intervention und bis zu 2 Wochen nach Beendigung der PR bieten die TANDEM-Moderatoren sehr kurze (15 Minuten oder weniger), wöchentliche (oder seltenere) telefonische Unterstützung an (je nach Präferenz der Teilnehmer.
Die TANDEM-Moderatoren selbst erhalten regelmäßige telefonische Supervision durch einen erfahrenen klinischen Psychologen oder einem erfahrenen kognitiven Verhaltenstherapeuten.
Welche Ergebnisse erwartet das TANDEM-Forscherteam?
Die Forscher gehen davon aus, daß die TANDEM-Intervention die bisher nicht realisierte Synergie zwischen einer psychologischen Intervention und einer PR optimieren kann. Die CBA-Sitzungen werden der PR vorausgehen und zielen auf die individuellen Kognitionen (Überzeugungen), Verhaltensweisen und Symptome, die mit Angst und Depression verbunden sind. Die Intervention will die psychologische Krankheitslast verringern und das effektive Selbstmanagement bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD stärken.
Die Forscher hoffen, daß durch die TANDEM-Intervention auch die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, an der PR teilzunehmen und diese abzuschließen. Die PR-Teilnahme soll sich wiederum positiv auf Angstzustände und Depressionen, auf Lebensqualität und Belastungstoleranz auswirken. Auch ohne diese Synergieeffekte sollten Teilnehmer, die nach der TANDEM-Intervention keine Pneumologische Rehabilitation antreten, von den CBA-Sitzungen profitieren.
Fazit aus Perspektive 2:
Die TANDEM-Intervention baut auf bisher bewährten Netzwerken und einem personen-zentrierten Ansatz auf und integriert beides.
Zudem bezieht sie von Anfang an sowohl das medizinische Fachpersonal als auch die Patienten zur Entwicklung von Interventionen mit ein. Damit soll eine praktikable Umsetzung gewährleistet werden.
Die Forscher hoffen auf einen nachhaltigen positiven Effekt auf die körperlichen und psychischen Belastungen von COPD-Patienten mit Ängsten und/oder Depressionen. Diese Ergebnisse wären ein echter psychopneumologischer Fortschritt. Im günstigsten Fall werden die bisherigen positiven Einflüße einer Pneumologischen Rehabilitation auf Ängste und Depressionen von COPD-Patienten durch das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten bei der TANDEM-Intervention dauerhaft verstärkt.
Mit herzlichen Grüßen von Monika Tempel [Sauerstoff und Sinn]
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