Lexikon der Psychopneumologie – E wie Exazerbation
- On 31. Mai 2018
Exazerbationen stellen Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen (z. B. COPD, Asthma, Lungenfibrose) vor besondere Herausforderungen. Prävention, Früherkennung, Selbst-Management, Notfall-Management und Nachsorge sind für den Verlauf und die Auswirkungen einer Exazerbation entscheidend. Da Exazerbationen auch die Psyche von Patienten und Angehörigen beeinflußen, sind sie ein wichtiges Einsatzgebiet der Psychopneumologie.
Was bedeutet Exazerbation?
Exazerbation (lat. exacerbare = aufstacheln, aufbringen) bezeichnet die Verschlimmerung einer chronischen (Lungen-)Erkrankung.
Die American Thoracic Society (ATS) und die Europäische Lungengesellschaft (ERS) haben gemeinsam folgende Definition erarbeitet:
„Eine Exazerbation ist ein Ereignis,
- das geprägt wird durch eine Änderung von Atemnot, Husten und/oder Sputum,
- das über die Tag-zu-Tag-Variabilität hinausgeht
- und eine Änderung der Therapie notwendig macht.“
Diese Definition beschränkt sich auf die körperlichen Veränderungen. Das „Ereignis Exazerbation“ zeigt jedoch auch viele psychopneumologische Facetten.
Exazerbation und Angst
Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen leiden häufig unter Ängsten, die in Zusammenhang mit Exazerbationen stehen. Man kann unterscheiden zwischen:
- Angst vor Exazerbation
- Angst während Exazerbation
- Angst durch Exazerbation
Die meisten Patienten wissen oder spüren, daß jede akute Verschlimmerung den Krankheitsverlauf negativ beeinflußt. Deshalb entspricht die Angst vor einer Exazerbation häufig einer Angst vor dem Fortschreiten der Erkrankung (Progredienzangst).
Während einer Exazerbation erleben viele Patienten stärkste Atemnot und extreme Hinfälligkeit. Diese Grenzerfahrung löst häufig akute Angstgefühle aus.
Ist eine Exazerbation nur durch notfallmäßige Beatmung (nicht-invasiv oder invasiv) zu überwinden, so können diese Erfahrungen unter Umständen stark ängstigen oder sogar traumatisieren. Es entwickeln sich Ängste als Folge einer Exazerbation.
Eine gezielte Behandlung von Ängsten im Zusammenhang mit Exazerbationen durch psychopneumologische Angebote erfolgt:
- bei Angst vor Exazerbation z. B. durch Progredienzangst-Training
- bei Angst während Exazerbation z. B. durch Suggestive Kommunikation oder Aufmerksamkeitsbasierte Interventionen
- bei Angst als Folge einer Exazerbation z. B. durch Stabilisierungs-Techniken (aus der Traumatherapie)
Grundlage aller Interventionen ist eine verläßliche Beziehung zwischen Patient und Behandler, die rasch Sicherheit vermittelt und das Selbst-Management wirkungsvoll unterstützt. Mitunter sind angstlösende Medikamente vorübergehend oder dauerhaft notwendig.
Exazerbation und Depression
Auch Depressionen spielen eine entscheidende Rolle:
- im Vorfeld von Exazerbationen
- während einer Exazerbation
- nach Exazerbationen
Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, die bereits eine oder mehrere depressive Episoden im Vorfeld einer Exazerbation erlebt haben, erleiden häufigere und schwerwiegendere Exazerbationen als nicht-depressive Lungenpatienten. Dadurch ergibt sich ein ungünstigerer Krankheitsverlauf.
Während einer Exazerbation sind Patienten häufiger depressiv verstimmt.
Oft entwickelt sich in den ersten Wochen oder Monaten nach einer Exazerbation eine depressive Störung, die ihrerseits die körperliche Genesung beeinträchtigt.
Dazu ein wichtiger Hinweis: Angehörige von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen entwickeln nach Exazerbationen der kranken Partner ebenso häufig depressive Symptome wie die kranken Partner selbst.
Eine gezielte Behandlung von Depressionen im Zusammenhang mit Exazerbationen durch psychopneumologische Angebote erfolgt:
- bei vorbestehenden Depressionen durch bewährte psychotherapeutische Ansätze der Depressionstherapie (z. B. Interpersonelle Therapie, Achtsamkeitsbasierte Interventionen)
- bei depressiver Verstimmung während der Exazerbation z. B. durch Supportive Coping-Therapie (Ressourcen-orientierte Interventionen)
- bei depressiver Phase nach der Exazerbation – je nach Schweregrad – aus einer Mischung von unterstützenden, achtsamkeitsbasierten und ggf. interpersonellen Interventionen.
Auch hier ist die Grundlage eine vertrauensvolle, empathische und wertschätzende Beziehung zwischen Patient und Behandler. Wichtig sind zudem die Vermittlung von Zuversicht und Hoffnung und die Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Antidepressiva können in manchen Fällen die Stabilisierung unterstützen.
Screening auf Angst und Depression im Zusammenhang mit Exazerbationen
Die vielschichtigen Zusammenhänge zwischen Ängsten, Depressionen und Exazerbationen sind inzwischen gut belegt. Wichtig erscheint eine einfühlsame und umsichtige Befragung der Patienten mit Exazerbationen im Hinblick auf ihre psychische Belastung. Eine routinemäßige und regelmäßige Untersuchung (Screening) ist relativ einfach durchzuführen – im Zusammenhang mit Exazerbationen ist sie zum Wohle der Patienten unerläßlich.
Mit herzlichen Grüßen von Monika Tempel [Sauerstoff und Sinn] www.monikatempel.de
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