Immer wieder den „Inneren Schweinehund“ überlisten, Lebensstilveränderungen konsequent verfolgen, sich von „Ausrutschern“ oder einem heftigen Rückfall nicht entmutigen lassen, um schließlich die Früchte der gesunden Gewohnheiten ernten zu können: Das ist kein leichtes Spiel!
Um dauerhaft motiviert zu bleiben, gibt es viele Tips. Bewährt haben sich unter anderem die folgenden Verhaltensweisen:
Bei Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen gibt es meist am späten Vormittag und am späten Nachmittag bzw. frühen Abend ein günstiges Zeitfenster für Aktivitäten. Dann ist die Morgensymptomatik abgeklungen und das Mittags-Tief vorüber. An guten Tagen mit ausgeglichenem körperlichen und psychischen Befinden eröffnet dieses Zeitfenster die Möglichkeit für relativ unbelastete Aktivitäten.
Stelle Dir selbst immer wieder die Frage: „Wozu mache ich das gerade?“. Blicke dabei auf die positiven Konsequenzen. Diese positiven Folgen treten möglicherweise nicht unmittelbar ein, sind aber von elementarer Bedeutung für Dich: „Wenn ich zum Lungensport gehe, bleibe ich fitter für meine Enkelkinder.“ Das große „Warum“ ist der Sinn, für den sich Dein Einsatz lohnt.
Jeder erfolgreich gemeisterte Veränderungsschritt bringt Dich weiter auf dem Weg zu mehr Wohlbefinden.
Wer ein langfristiges Ziel anstrebt, sollte es sich zunächst ganz genau vorstellen können. Konzentriere Dich auf dieses Bild und male es Dir in Deiner Vorstellung möglichst detailliert aus. Mache aus dieser Imagination eine Routine und nimm Dir täglich mindestens fünf Minuten Zeit, um Deine Ziele aufzuschreiben, sie laut vorzulesen und Dir einzuprägen. Auch Bilder, die symbolischen Wert für Dich haben, können bei dieser Imagination helfen, z. B. das Bild von einem Menschen, der zufrieden mit seinem Enkelkind spielt oder entspannt mit dem Hund um den See spaziert…
Formuliere aktivitätshemmende Gedanken um und verleihe ihnen eine neue Bedeutung. Statt „O je, schon wieder keine Lust zum Lungensport!“ – eher: „Der Innere Schweinehund verlangt heute eine besonders konsequente Dressur-Übung!“
Das ist eine Übung, die Deine Selbstwirksamkeit nachhaltig stärkt und Dir ein Gefühl der Sicherheit und Dauerhaftigkeit vermittelt. Denn: Nichts ist so motivierend wie Erfolge – auch ganz kleine!
Falls Du einen Ausrutscher oder Rückfall verarbeiten mußt, tritt zunächst einmal einen Schritt zur Seite und betrachte die Situation von außen: Gibt es erkennbare Gründe? Was kann ich in Zukunft anders machen? Hat die Situation auch gute Seiten? Und danach: Abhaken und neu starten!
Im übrigen schadet es nicht, sich immer mal wieder die Schritte aus dem Blog-Beitrag „Psyche, Lunge, Lebensstil: vom Wissen zum Wollen“ vorzunehmen.
Nach diesen allgemeinen Hinweisen zur Selbstmotivation, geht es im folgenden um die spezielle Situation, die sich bei der Motivation zur körperlichen Aktivierung von Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen ergibt.
Unter diesem geheimnisvoll klingenden Titel befaßt sich ein Artikel mit den (gar nicht geheimnisvollen!) Erkenntnissen aus der „Step Forward Studie“ (SFS).
Die „Step Forward Studie“ von Choate et al. legt nahe, daß die Verbesserung der körperlichen Aktivität und des Gewichtsmanagements bei Personen mit COPD und Alpha-1-Antitrypsin-Mangel erreichbare Ziele sind. Die Verbesserung dieser beiden Verhaltensweisen ist wichtig für die Behandlung vieler chronischer Krankheiten, aber leider gibt es nur wenige bewährten Lösungen. Die Step Forward Studie zeigt jedoch, daß ein intensives Programm zur virtuellen Rehabilitation, unterstützt von Koordinatoren der Organisation „Alpha Net“, bei motivierten Personen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, die selbstberichtete körperliche Aktivität steigert und das Gewichtsmanagement verbessert.
Die Elemente des intensiven Programms wurden in Zusammenarbeit zwischen Forscherteam und Patienten-Organisation „Alpha Net“ eigens für die Interventionsgruppe der Studie zusammengestellt.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die zu den positiven Ergebnissen der SFS führen:
Das alles zusammen schafft nach Ansicht der Autoren die „Alchemie“ für eine dauerhafte Verhaltensänderung bei COPD.
[Quelle: Benzo, M., & Benzo, R. (2021). The Alchemy for a Behavior Change in COPD: The Combination of Personalized Care, the Proper Environment, Patient Motivation, and the Right Tools. Chronic Obstructive Pulmonary Diseases: Journal of the COPD Foundation, 8(1), 1.]
Ein Selbstmanagement-Verhaltensänderungs-Programm verbessert die Motivation und das Selbstvertrauen von Patienten, sich bei COPD körperlich zu betätigen. Diese freudige Erkenntnis verkündet ein Artikel zur PHYSACTO Studie.
Die PHYSACTO Studie zeigt zum ersten Mal, daß ein Selbstmanagement-Verhaltensänderungs-Programm (SMBM-Programm = Self Management Behaviour Modification-Programm) die körperliche Aktivität von COPD-Patienten steigert.
Die Grundlage des SMBM-Programms ist das in Kanada entwickelte „Living well with COPD“-Konzept (LWWCOPD).
Die in der PHYSACTO Studie beobachtete Aktivitätssteigerung wird vermittelt durch eine Verbesserung der drei wichtigsten hypothetischen Mechanismen der Veränderung:
[Quelle: Bourbeau, J., Sedeno, M., Li, P. Z., Troosters, T., Hamilton, A., De Sousa, D., ... & Lavoie, K. L. (2021). Mechanisms associated with increased physical activity in patients undergoing self-management behaviour modification in the randomised PHYSACTO trial. ERJ Open Research, 7(1).]
Die erfreulichen Ergebnisse der beiden vorgestellten Studien dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Verhaltensänderung durch intensiven Einsatz bei gezielt gewählten Patienten gelungen ist.
Welche Inhalte beispielsweise das Konzept „Besser leben mit COPD“ (LWWCOPD) konkret vermittelt, läßt sich anhand des Einsatzes in der Schweiz aufzeigen. Die Lungenliga Schweiz hat das „Besser leben mit COPD“-Konzept landesweit eingesetzt und evaluiert.
Die SMBM-Intervention konzentriert sich auf die Verbesserung des Engagements der Patienten für Bewegung und körperliche Aktivität (PA) durch eine Kombination aus:
Wie das Konzept konkret vorgeht, läßt sich im Patienten-Handbuch erkennen. Die Lektion zur Körperlichen Aktivität enthält beispielsweise folgende Ausführungen zum Thema „Durchbrechen Sie den Teufelskreis“:
„Bleiben Sie aktiv, auch bei einem langsameren Rhythmus.
Setzen Sie die Lippenbremse ein.
Lernen Sie Situationen kennen, die Atemnot auslösen können. Planen Sie entsprechend im Voraus.
Genießen Sie jeden Moment Ihres Lebens. Das Leben bringt oft Überraschungen mit sich. Eine enttäuschende Situation kann am nächsten Tag bereits ganz anders aussehen.
Machen Sie das, was Sie gerne tun. Planen Sie täglich genug Zeit dafür und für die Freizeit ein.
Verlassen Sie täglich Ihre Wohnung, und motivieren Sie Ihre Freunde oder Familie, Sie zu begleiten.
Sprechen Sie mit Ihrer Umgebung über Ihre Krankheit und über Ihre Gefühle.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, was Sie sich wünschen, wenn sich die Krankheit verschlechtert.
Lernen Sie, sich zu entspannen.“
Im Anschluß an diese Tips werden viele konkrete Übungen vorgestellt, mit denen die erstrebenswerten Ziele Schritt für Schritt erreicht werden können.
Die Patienten-Materialien sind sehr übersichtlich gestaltet und veranschaulichen die Übungen durch einprägsame Abbildungen.
Die Implementierung und Wirksamkeit des Programms „Besser leben mit COPD“wurde in der Begleitstudie „SELFIS“ evaluiert. Die Begleitstudie kommt zu folgendem Schluß: „Das Programm wurde national erfolgreich umgesetzt, mit hoher Akzeptanz und positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität und Gesundheitskompetenz der Betroffenen.“
Im einzelnen ergaben sich folgende Verbesserungen:
Lebensqualität
Die Gesundheitsbezogene Lebensqualität verbesserte sich (statistisch signifikant und klinisch relevant). Insbesondere bei der Krankheitsbewältigung (Coping) half das Gesundheits-Coaching den Betroffenen. Die Teilnehmer gaben an, weniger an Atemnot zu leiden, zudem hatte sich ihre Stimmungslage verbessert.
Körperliche Leistungsfähigkeit
Die körperliche Leistungsfähigkeit verbesserte sich signifikant. Vor dem Gesundheits-Coaching konnten die Teilnehmenden in einer Minute durchschnittlich 23,9 Mal von einem Stuhl aufstehen und absitzen. Nach dem Coaching waren es 27,1 Mal. (Sit-to-Stand-Test).
Rauchverhalten
28 % der rauchenden Teilnehmer waren nach 14 Monaten rauchfrei.
Wer jetzt neugierig auf das „Besser leben mit COPD“-Konzept geworden ist, findet auf der Website der Lungenliga Schweiz weitere interessante Informationen.
[Quelle: Strassmann, A., Guler, M., Steurer-Stey, C., Dalla Lana, K., Carron, T., Braun, J., ... & Frei, A. (2022). Nationwide implementation of the self-management program “Living well with COPD”: Process and effectiveness evaluation using a mixed-methods approach. Patient education and counseling, 105(3), 670-678.]
Für eine dauerhafte Lebensstiländerung ergeben sich spannende Möglichkeiten durch die moderne Technologie (Digitale Gesundheits-Anwendungen = DiGA) und die Künstliche Intelligenz (KI).
Ein Beispiel für eine Pneumo-Digital-App mit nachgewiesener Effektivität ist die KAIA - COPD-App. Die App bietet tägliche Übungen entsprechend dem resultierenden Nutzerprofil aus einer Auswahl von relevanten Disziplinen der Pneumologischen Rehabilitation (PR) , z. B. Psychologische Interventionen, Physiotherapie und Patientenschulung. Darüber hinaus müssen die Nutzer bestätigen, daß sie in der Lage sind, die Übungen zu absolvieren und daß keine Kontraindikationen vorliegen.
Inzwischen wurde eine Evaluationsstudie mit erfreulichen Ergebnissen veröffentlicht.
[Quelle: Spielmanns, M., Gloeckl, R., Jarosch, I., Leitl, D., Schneeberger, T., Boeselt, T., ... & Koczulla, A. R. (2022). Using a smartphone application maintains physical activity following pulmonary rehabilitation in patients with COPD: a randomised controlled trial. Thorax.]
Mit diesen sehr praktischen Hinweisen zur Unterstützung einer dauerhaften Verhaltensänderung bei Patienten mit chronischen Lungen-Erkrankungen endet die Mini-Blog-Serie zum Thema „Psyche, Lunge, Lebensstil“.
Anläßlich des Welt-Nichtraucher-Tages folgt noch ein Interview zum Thema "Raucherentwöhnung" mit der Therapeutischen Leiterin eines Instituts für Tabakentwöhnung und Raucherprävention.
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