Das Selbstmanagement von Atemnot und der Umgang mit Atemnot-Ängsten stellt für Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eine Herausforderung dar. Viele Patienten mit COPD empfinden Atemnot als belastend und behindernd, insbesondere bei körperlichen Aktivitäten.
Studienergebnisse belegen den Nutzen von multidisziplinären und multidimensionalen Ansätzen für die Behandlung von Atemnot und Atemnot-Ängsten bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, vor allem im Rahmen einer Pneumologischen Rehabilitation (PR) und mit Interventionen aus dem Repertoire der Mind-Body-Medizin.
Multidimensionalität umfaßt mit Blick auf das Leitsymptom Atemnot:
Multidisziplinarität umfaßt mit Blick auf das Leitsymptom Atemnot:
Für die hier vorgestellte Studie zum Thema „Atemnot“ und „Atemnot-Ängste“ führten AM Norweg und Kollegen Interviews mit 14 COPD-Patienten. Die Patienten hatten zuvor an einer neuartigen, auf den Körper bezogenen Atemtherapie namens CART, in Kombination mit einer ambulanten pulmonalen Rehabilitation teilgenommen.
Bewertet wurden die Wahrnehmungen und Erfahrungen der Teilnehmer, um Gemeinsamkeiten und Themen im Erleben der Studienteilnehmer zu ermitteln. Außerdem ging es darum, die Akzeptanz der CART-Intervention zu beurteilen und diese auf der Grundlage des Feedbacks zu verbessern.
CART steht für Capnography-Assisted Respiratory Therapy (Kapnographie-unterstützte Atemtherapie).
Die Kapnographie (mit dem in der Studie verwendeten CapnoTrainer® der Firma Better Physiology) liefert ein visuelles Echtzeit-Biofeedback von:
Diese Visualisierung erfolgt, um die Atemtherapie zu steuern und Fortschritte zu messen.
CART ist eine patientenzentrierte Intervention, bei der die Sitzungen für Einzelpersonen (und nicht für Gruppen) durchgeführt werden. Die Sitzungen dauern etwa eine Stunde und werden wöchentlich über einen Zeitraum von 6 Wochen angeboten, insgesamt also 6 Stunden. Während der Sitzung wird ein tragbarer Kapnograph verwendet.
Die CART-Intervention besteht aus:
Die CART-Intervention wird von einem klinisch erfahrenen Rehabilitations-Therapeuten durchgeführt, der in Atemverhaltensanalyse und Kapnographie ausgebildet ist.
Ein maßgeschneidertes Heimübungsprogramm umfaßt tägliche angeleitete und achtsamkeitsbasierte Atemübungen (über Audiodateien oder eine App). Unterstützend gibt es individuell angepaßte Ziele, die durch bebilderte Anleitungen von Brustkorb-Atmungsübungen und ein Übungsprotokoll unterstützt werden. Beim Heimübungsprogramm erfolgt kein Kapnographie-Biofeedback.
Als Hausaufgabe werden täglich mindestens 10 Minuten Atemübungen empfohlen (≥60 Minuten pro Woche), wobei ein Pulsoximeter zur Überwachung und Aufzeichnung von Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung verwendet wird.
Die Übungen für zu Hause werden maßgeschneidert und gemeinsam mit dem Patienten aus den 10 Kern-Atemübungen ausgewählt, nachdem sie in der Sitzung mit dem Therapeuten eingeführt und erfolgreich geübt worden sind.
1. Langsame Atmung: Diese wird durch Rückenlage und die nach vorne gebeugte Ruhestellung sowie durch taktile (durch Berührung vermittelte) und verbale (durch Worte vermittelte) Hinweise erleichtert.
2. Förderung der Nasenatmung durch die richtige Positionierung der Zunge.
3. Dehnungen des Brustkorbs, abgestimmt auf die Ausatmungsphase .
4. Kontrollierte Pause, Teil eines 3-Phasen-Atemzyklus aus Einatmung, Ausatmung und anschließender Pause, die einige Sekunden lang gehalten wird, um die Ausatmung zu verlängern.
5. Volumengesteuerte Atmung zur Förderung des Bewusstseins für die optimale Atemlänge.
6. Interozeptives Atmen für ein besseres Wahrnehmen und Vertrauen in den Körper. (Interozeption beschreibt den Prozeß, durch den das Nervensystem Signale aus dem Körperinneren wahrnimmt, deutet und einordnet.)
7. Zählen des Atems, z.B. "ein, aus, 1; ein, aus, 2" und so weiter (bis zu fünf oder zehn Zählungen).
8. Summen, eine Art von Widerstandsatmung, geübt mit Musik nach Wahl der Teilnehmer.
9. Lippenbremse-Atmung mit maßgeschneiderten (≤5-min) körperlichen Herausforderungen (z. B. Bücken, Gehen oder Treppensteigen).
10. Kurzes achtsames Atmen (≤5 Minuten) unter Anleitung mit angepaßten Skripten. (Achtsamkeit ist der Zustand, der sich entwickelt, wenn man im gegenwärtigen Moment absichtlich seine Aufmerksamkeit auf die sich entfaltenden Erfahrungen richtet, ohne sie zu bewerten.)
Die Studie ermittelte drei Hauptthemen (mit neun Unterthemen) in Bezug auf die Akzeptanz und die berichteten Vorteile von CART.
Hauptthema 1: Selbstregulierung der Atmung
mit den Unterthemen:
1.1. CO2-Biofeedback fördert das Lernen
1.2. Verbesserte Atem-Wahrnehmung (Interozeption) und Achtsamkeit
1.3. Angemessenere Überzeugungen und steigende Motivation zur Veränderung der Atmung
Hauptthema 2: Auswirkungen auf die Gesundheit
mit den Unterthemen:
2.1. Verminderte Atemnot
2.2. Linderung von Ängsten
2.3. Verbesserte soziale Teilhabe
Hauptthema 3: Patientenzufriedenheit
mit den Unterthemen:
3.1. Hervorgehobene CART-Komponenten
3.2. Empfohlene Änderungen an CART
3.3. Bemerkenswert hohe Einhaltung des Trainingsplans
Die Ergebnisse wurden genutzt, um die CART-Intervention (d. h. ihre Intensität, den Zeitpunkt und das Format) für COPD zu verfeinern und zu optimieren.
Atemnot und Atemnot-Ängste sind komplexe und umfassende Erfahrungen. Entsprechend komplex und umfassend sollten Interventionen sein. Am ehesten sind multidisziplinäre und multidimensionale Ansätze möglich in den unterschiedlichen Settings der Pneumologischen Rehabilitation (stationär, ambulant, digital).
Die CART-Intervention folgt einem multidisziplinären und multidimensionalen Ansatz.
Multidisziplinarität ist gewährleistet durch den Einsatz von:
Multidimensionalität ist gewährleistet durch die Berücksichtigung von:
Besondere Schwerpunkte und Perspektiven ergeben sich für die Psychopneumologie in folgenden Bereichen der CART-Intervention:
Die verbesserte Erwartung der Kontrolle des Atemmusters und die Neubewertung der Bedrohung durch Atemnot bei COPD haben möglicherweise die erlernte Hilflosigkeit verringert und Streß-Reaktionen abgeschwächt. Die Wirkung der CART-Intervention könnte zum Teil darin bestehen, daß die Patienten wieder ein Gefühl der Kontrolle erlangen. Dies geschieht, indem sie unangenehme Atemnot-Empfindungen vorwegnehmen und so erfahren, wodurch sie eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Episoden mit verschlechterter Atmung aufbauen können.
Durch die Interozeptive Exposition (Reiz-Konfrontation) gegenüber Atembewegungen und höheren ETCO2-Werten hat die CART-Intervention möglicherweise auch die Angst-Sensibilität reduziert. (Angst-Sensibilität ist die Tendenz bestimmter Personen, interozeptive Empfindungen als gefährlich oder bedrohlich zu betrachten.)
Es ist denkbar, daß die CART-Intervention die Resilienz (bessere Anpassung an den Streß der Atemnot) fördert, indem sie die Regulierung der Interozeption der Atmung verbessert. Weniger resiliente Personen haben nämlich laut Studien Schwierigkeiten bei der Überwachung von Körperreizen, was zu einer schlechter angepaßten Reaktion auf belastende Atem-Erfahrungen beitragen kann. Da die Teilnehmer der Studie nach der CART-Intervention besser mit ihrem Körper im Einklang waren, konnten sie möglicherweise Atembeschwerden besser vorhersagen und so in Erwartung von Atemnot bei körperlichen Übungen und anderen körperlichen Aktivitäten effektivere Entlastungsstrategien anwenden.
Die CART-Intervention konzentriert sich im Gegensatz zu anderen (weniger effektiven) Mind-Body-Interventionen bei COPD in erster Linie auf die Wahrnehmung von Atemempfindungen und -mustern zur Verbesserung der Selbstregulation von Emotionen und Atem. Die berichteten Verbesserungen bei der Atemnot könnte erklärt werden durch den Fokus der CART-Intervention auf die Körperwahrnehmung der Atmung.
Da die CART-Intervention auf dysfunktionales Atemverhalten und dysregulierte Atem-Wahrnehmung (Interozeption) abzielt, bietet sie ein vielversprechendes neues Paradigma zur Linderung von Atemnot und Atemnot-Ängsten bei Patienten mit COPD.
Es gibt allerdings einige Einschränkungen mit Blick auf die Aussagekraft der Studie. Zum einen wurde nur eine sehr kleine Teilnehmerzahlt interviewt. Außerdem sind künftige Forschungsarbeiten erforderlich, um die Wirksamkeit der CART-Intervention beim Management von Atemnot und Atemnot-Ängsten und bei der Verbesserung der PR-Ergebnisse und -Nutzung bei COPD genauer zu bewerten. Interessant und relevant für die Praxis ist es auch, in einer zukünftigen Studie die individuellen Auswirkungen der CART-Intervention unabhängig von der PR zu untersuchen.
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Quellen
Die Studie wurde im ERJ Open Research veröffentlicht:
Norweg AM, Skamai A, Kwon SC, et al. Acceptability of Capnography Assisted Respiratory Therapy (CART): a new mind-body intervention for chronic obstructive pulmonary disease. ERJ Open Res 2021; in press (https://doi.org/10.1183/23120541.00256-2021).
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